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dpa-AFX: ROUNDUP 2/Reform des Postgesetzes: Der Briefversand wird länger dauern

(Neu: Votum im Bundestag)

BERLIN (dpa-AFX) - Die Reform des Postgesetzes ist auf der Zielgeraden. Am
Donnerstag nahm der Bundestag die Gesetzesnovelle im Plenum an. Voraussichtlich
im Juli ist der Bundesrat am Zug - dann wäre die Reform abgeschlossen. Ein
Überblick über das neue Regelwerk und dessen Folgen für Verbraucher.

Was regelt das Postgesetz?

Nach der Privatisierung der Bundespost in den 90ern legte der Staat Regeln
fest, damit die Bürger auch künftig zuverlässig Briefe bekommen und leicht
Briefmarken kaufen können. Der Bund schreibt seither vor, dass jedes größere
Dorf eine Postfiliale haben muss, dass Briefkasten in Reichweite sein und die
Briefe recht schnell beim Empfänger ankommen müssen. Außerdem müssen Briefe an
sechs Tagen die Woche zugestellt werden - also auch an Montagen, obwohl am
Wochenende nur wenige Briefe verschickt werden und der Briefkasten zum
Wochenauftakt daher häufig leer bleibt.

Was ist das Problem?

Die Regeln stammen aus einer Zeit, als der Online-Handel noch in den
Kinderschuhen steckte und Briefe Teil der Alltagskommunikation waren. Seither
hat sich viel getan: Die Menschen setzen im Digitalzeitalter auf Chats und Mails
statt auf Briefe und beim Shopping sind sie häufig im Internet unterwegs statt
in der Innenstadt. Daher schrumpft die Briefmenge seit Langem und die Anzahl der
Pakete geht durch die Decke. Für die Post haben sich die Stückkosten massiv
erhöht, schließlich muss sie ein gleich großes Briefnetz betreiben, in dem sie
immer weniger Sendungen hat. Sie muss überall in Deutschland Briefe zustellen,
auch auf einsamen Bauernhöfen. Der veränderten Nachfrage hat sich das Postgesetz
bislang nicht angepasst - das gilt als überfällig und soll nun endlich
passieren.

Was ist die wichtigste Änderung?

Die Deutsche Post bekommt weniger Zeitdruck als bisher. Derzeit müssen noch
mindestens 80 Prozent der heute eingeworfenen Briefe am nächsten Werktag beim
Empfänger sein und 95 Prozent am übernächsten. Die Gesetzesnovelle sieht vor,
dass es erst am dritten Werktag nach Einwurf einen Pflichtwert gibt, und zwar
besagte 95 Prozent. Am vierten Werktag sollen es 99 Prozent sein. Dadurch kann
die Post Kosten senken, die jahrzehntelang eingesetzten Inlandsflüge zur
Briefbeförderung wurden gestrichen - das half auch beim Klimaschutz. Für den
Verbraucher heißt das aber auch, dass er im Schnitt länger auf einen Brief
warten muss als bisher. Wer es eilig hat, kann aber einen schnelleren Prio-Brief
verschicken. Der ist teurer als der Standard-Brief.

Wie finden die Verbraucher die absehbar längeren Wartezeiten?

Der Briefkasten ist längst nicht mehr so voll wie früher - selbst
Kontoauszüge und Versicherungsunterlagen kommen bei immer mehr Menschen digital
an statt per Post. Im Internetzeitalter sind die meisten Briefe nicht dringlich
- vielen Bürgern ist es nicht mehr so wichtig, ob ein Brief heute ankommt oder
morgen. Hauptsache, er kommt irgendwann zuverlässig an. Laut einer
YouGov-Umfrage, die am 11. Juni unter 2577 Menschen durchgeführt wurde,
befürworten 50 Prozent der Befragten diesen zentralen Punkt der Reform und 37
Prozent lehnten ihn ab, der Rest machte keine Angaben.

Was wird sonst noch geändert?

Automaten dürften künftig häufiger in Dörfern und am Stadtrand zu finden
sein als bisher. Denn auf die Pflicht zu einem starken Filialnetz, die es im
alten Gesetz gab und die auch im neuen Gesetz erhalten bleiben soll, können sie
in bestimmten Fällen angerechnet werden. Die Kommune vor Ort und die
Bundesnetzagentur haben hierbei aber ein Wörtchen mitzureden. Der Vorteil an
Automaten ist, dass sie rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Mit Menschen
besetzte Filialen
- häufig Kioske oder Supermärkte mit Post-Schalter - haben hingegen
Öffnungszeiten. Andere Eckpunkte des alten Gesetzes bleiben erhalten, etwa die
Sechs-Tage-Zustellung - es wird also weiterhin auch montags zugestellt werden
müssen.

Geht es auch um die Paketbranche?

Für Pakete gibt es zwar keine staatlichen Laufzeitvorgaben, andere Teile des
Gesetzes betreffen aber durchaus auch diese Branche. Dort geht es um bessere
Arbeitsbedingungen: Pakete, die schwerer sind als 20 Kilo, sollen im Regelfall
von zwei Zustellern ausgehändigt werden, außer wenn ein geeignetes technisches
Hilfsmittel zur Verfügung steht. Dann ist auch die Ein-Personen-Zustellung
zulässig. Außerdem sollen Subunternehmen, deren Einsatz die Gewerkschaft Verdi
sehr kritisch sieht, effektiver kontrolliert werden: Sie werden verpflichtet,
unter anderem Informationen zur Arbeitszeit vorzuhalten. Behörden könnten diese
Informationen mit den Daten vergleichen, die bei der Abgabe von Paketen erfasst
wurden - und so Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz feststellen.

Wird das Porto teurer?

In einem Berechnungsverfahren legt die Bundesnetzagentur alle drei Jahre
fest, welchen Spielraum die Post für die Portoerhöhung bekommt. Das Postgesetz
bietet für das Verfahren den Rahmen. 2019 verteuerte sich der Inlandsversand
eines Standardbriefs um 10 Cent auf 80 Cent, 2022 zog das Porto um 5 Cent auf 85
Cent an. In anderen Sendungsarten
- etwa der Postkarte und dem Maxi-Brief - ging es preislich ebenfalls
nach oben. Ab Januar 2025 dürfte das Porto erneut teurer werden. Wie hoch, ist
noch unklar. Allerdings will die Ampel-Koalition dafür sorgen, dass das
Standardbrief-Porto nicht teurer wird als ein Euro.

Wie reagiert die Deutsche Post auf das Reformvorhaben?

Der Marktführer Deutsche Post ist als "Universaldienstleister" am stärksten
an die gesetzlichen Vorgaben gebunden. Die Bonner sind mäßig begeistert von der
Reform. Einerseits begrüßen sie, dass das Regelwerk endlich entstaubt wird und
der Zeitdruck bei der Briefbeförderung sinkt, wodurch die Brief-Flieger
gestrichen werden konnten. Dass aber in dem stark schrumpfenden Briefmarkt die
Wettbewerber gefördert werden und die Bürokratie ausgeweitet wird, sieht die
Post hingegen kritisch. So sollen künftig kleine Briefkonkurrenten auch
Warensendungen zur Zustellung an die Post übergeben dürfen.

Was sagt die Politik?

Die Ampel-Koalition, in der es in anderen Politikfeldern laut knirscht, hat
sich in der Reform trotz unterschiedlicher Vorstellungen ohne laute
Nebengeräusche auf einen Kompromiss geeinigt. Das werten Politiker von SPD,
Grünen und FDP als Erfolg und Ausdruck ihrer Handlungsfähigkeit. Der
Sozialdemokrat Sebastian Roloff sieht auch den Verbraucher als Gewinner: "Wir
stellen flächendeckende Postdienstleistungen an sechs Tagen die Woche auf lange
Zeit und in allen Regionen Deutschlands sicher und sorgen dafür, dass der
Briefmarkt trotz sinkender Mengen weiter funktioniert." Der oppositionelle
CSU-Politiker Hansjörg Durz bemängelt hingegen - ähnlich wie die Post - einen
Aufwuchs an Bürokratie. Das sehe man schon am Umfang: Das bisherige Postgesetz
umfasse 19 Seiten und das neue 80 Seiten./wdw/DP/ngu

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