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dpa-AFX: Immobilienwirtschaft: Markt erholt sich nur langsam - Zinssenkungen helfen etwas

MÜNCHEN/BERLIN/BOCHUM (dpa-AFX) - Die Immobilienwirtschaft blickt nach zwei
Krisenjahren etwas zuversichtlicher in die Zukunft. "Die Stimmung in der Branche
hellt sich auf, allerdings nur punktuell", sagte die Präsidentin des
Immobilienverbands ZIA, Iris Schöberl, in einem Gespräch mit der
Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Gerade für Projektentwickler für
Büroimmobilien sei es noch schwer, Investoren zu finden. Insgesamt entwickelten
sich die Immobiliengeschäfte zwar besser als im vergangenen Jahr; allerdings
liefen sie lange noch nicht so gut wie im Jahr 2021, das bisher das beste für
die Branche gewesen ist. Institutionelles Geld dürfte erst wieder in zwei Jahren
richtig fließen, ergänzte Schöberl. Versicherungen und Pensionskassen seien vor
der Krise die großen Treiber gewesen.

"In Summe ist die Immobilienwirtschaft immer noch im Tal", sagte Rolf Buch,
Chef von Deutschlands größter Wohnungsgesellschaft Vonovia , im
Gespräch mit dpa-AFX. Die Branche finde nur langsam aus der Krise heraus, der
ein oder andere habe die schlechten Zeiten auch nicht überstanden. Zum eigenen
Geschäft sagte der Firmenlenker: "Es wird wieder positiv und konstruktiv nach
vorne geschaut." Zudem machten sich die Zinssenkungen bemerkbar, da das
Unternehmen laufend refinanziere und somit seine Kosten perspektivisch sinken
würden. Auch deshalb hätten sich die Immobilienwerte stabilisiert. Die Zinsen
würden aber in absehbarer Zeit nicht mehr auf das historische Tief fallen, auf
dem sie einmal waren, glaubt Buch.

Unverständnis gebe es in der Branche hingegen weiterhin darüber, dass die
Politik trotz der drastisch gefallenen Baugenehmigungen nicht entschiedener
gehandelt habe - zumal die Bruttowertschöpfung des Immobiliensektors 19 Prozent
zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland beitrage. Das sei auch eine
wichtige soziale Frage, auf die eine Antwort gefunden werden müsse, sagte Buch.

Aufgrund des starken Rückgangs beim Wohnungsbau forderte die
Verbandspräsidentin Schöberl: "Bei den Baugenehmigungen brauchen wir in
Deutschland dringend mehr Tempo." Es habe in den vergangenen zwei Jahren viel zu
wenig Baugenehmigungen gegeben. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) habe
vieles angestoßen. Nun müssten die Impulse für den Wohnungsbau auch von den
Ländern schnell aufgenommen werden, damit die Kommunen ihre Bebauungspläne
machen könnten. Auch werde die Digitalisierung gebraucht, damit Bauträger zum
Beispiel nachverfolgen könnten, woran es bei Bauplanung und Bauantrag hake.

Bislang brauche die Erteilung einer Baugenehmigung in einem bereits
vorhandenen Wohngebiet im Schnitt mindestens ein Jahr, erläuterte die
ZIA-Präsidentin. In Neubaugebieten, wo noch kein Bebauungsplan vorliege, dauere
es oft noch viel länger. Nicht nur in Berlin gebe es Bebauungspläne, die zehn
Jahre in Anspruch nehmen würden. Ein großes Problem sieht Schöberl in den
mittlerweile mehr als 20.000 Vorschriften, Gesetze und Vorgaben für den Bau
eines Hauses. 1990 seien es etwa 5.000 Verordnungen gewesen.

Um Bauen einfacher und kostengünstiger zu machen, plant die Bundesregierung
einen sogenannten "Gebäudetyp E" - mit möglichen Abweichungen von bestehenden
Baunormen. Bei den Vorschlägen für diesen Gebäudetyp fehle es noch an Mut,
kritisierte die ZIA-Präsidentin. Es solle wirklich wieder einfacher, schneller
und innovativer gebaut und auf Komfortstandards wie besondere Schalldämmung oder
besonders dicke Decken verzichtet werden. Das mache Bauen billiger und
schneller. "Wir erreichen dann einen Komfort wie in den 70er und 80er Jahren,
als in Deutschland viel gebaut wurde", fügte sie hinzu.

Deutschlands größter Immobilienkonzern will laut Unternehmenschef Buch mit
dem Neubau wieder beginnen, sobald die Rahmenbedingen passen. Es müsse sich aber
rechnen. Der von der Bundesregierung geplante Gebäudetyp E sei ein Schritt in
die richtige Richtung. "Und dann ist es an uns Unternehmen, auf dieser Grundlage
die Baukosten zu senken", sagte der Vonovia-Chef. Das Volumen, das in den
letzten Jahren an Baukapazität weggefallen sei, könne Vonovia aber nicht
annähernd auffangen. In Deutschland würden derzeit weniger als 200.000 neue
Wohnungen im Jahr gebaut. Das Land brauche aber eher 500.000 neue Wohnungen
jährlich.

Derweil läuft es im Immobilienmarkt für Büros noch nicht rund. Da
Büroimmobilien zyklischer und abhängiger von der Wirtschaftslage sind, tut sich
der Bereich relativ schwer mit dem Aufschwung, sagte
Aroundtown-Vorstand Oschrie Massatschi. Das Zinsniveau, Arbeiten
von Zuhause und auch die schlechte Wirtschaftslage in Deutschland seien Grund
für den höheren Leerstand als vor drei Jahren. Viele trauten sich deshalb noch
nicht an den Transaktionsmarkt. Bei der Abwertung der Immobilien dürfte
spätestens zum Jahresende der Boden erreicht sein. Etwas besser liefen
Hoteltransaktionen. "Dort sehen wir in den letzten zwölf Monaten einen richtigen
Aufschwung bezüglich der Buchungszahlen und Mietsteigerungen."

"Der innerstädtische Transaktionsmarkt im Einzelhandel ist - abgesehen von
ein paar starken Transaktionen großer Family-Offices - wie eingefroren", sagte
ZIA-Präsidentin Schöberl. Hier fehle noch die alte Sicherheit. Corona habe die
Zuversicht der Investoren deutlich gedämpft, weil Läden geschlossen wurden und
Mieten gefallen seien. Wichtig sei jetzt Stabilität, dann springe auch der
Transaktionsmarkt wieder richtig an./mne/tav/stk

--- Michaela Nehren-Essing, dpa-AFX ---

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