XIAMEN/KAISERSLAUTERN (dpa-AFX) - Wenn Künstliche Intelligenz (KI) sich
rasch weit verbreitet, könnte einer Studie zufolge im Jahr 2030 bis zu
tausendmal mehr damit verbundener Elektroschrott entstehen als im Jahr 2023. Die
Müllmenge ließe sich aber durch verschiedene Maßnahmen deutlich verringern,
schreibt eine Gruppe um Peng Wang von der Chinesischen Akademie der
Wissenschaften in Xiamen im Fachjournal "Nature Computational Science". Die
Zahlen beruhen auf Modellrechnungen, bei denen alle drei Jahre ein Wechsel zu
neueren Computersystemen zugrunde gelegt wurde.
Für KI-Anwendungen wie etwa ChatGPT werden große Sprachmodelle eingesetzt.
"Große Sprachmodelle erfordern beträchtliche Rechenressourcen für Training, was
eine umfangreiche Computerhardware und -infrastruktur erfordert", schreiben die
Autoren.
Nicht nur mehr Energie und mehr CO2
Studien zu Nachhaltigkeit hätten sich bisher hauptsächlich auf den
Energieverbrauch und den Kohlendioxidausstoß von KI-Modellen konzentriert. Wang
und Kollegen wollten hingegen wissen, welche Mengen an Elektroschrott entstehen,
wenn rechenintensive KI-Anwendungen auf immer mehr Gebieten zum Einsatz kommen.
Als Basis dient den Wissenschaftlern ein Szenario, in dem sie von der
Übernahme großer Sprachmodelle auch für den täglichen Gebrauch ausgehen, wie es
heute schon bei einigen Suchmaschinen und sozialen Plattformen erkennbar ist.
Bei einer so breiten KI-Anwendung müssten die Rechenzentren zum Training und zur
Bereitstellung von KI-Modellen sehr schnell wachsen.
In der Folge könnte die Menge an Elektroschrott durch aussortierte Server
und andere Geräte von rund 2.550 Tonnen im Jahr 2023 auf bis zu 2,5 Millionen
Tonnen im Jahr 2030 steigen. Bei Szenarien mit geringerem KI-Einsatz könnte die
Schrottmenge in jenem Jahr auf 400.000 bis 1,5 Millionen Tonnen begrenzt
bleiben.
Großes Potenzial zur Verminderung
Zudem berechneten die Forscher, wie stark verschiedene Maßnahmen die
Schrottmenge reduzieren könnten. Am effektivsten wäre es demnach, Server und
andere Geräte nach drei Jahren nicht zu verschrotten, sondern noch ein Jahr
länger für einfachere KI-Aufgaben oder für ganz andere Zwecke zu verwenden. Dies
würde die Müllmenge im Vergleich zum Basisszenario um 62 Prozent verringern.
Wenn einzelne Module der Systeme wie etwa Prozessoren und Speicher
aufbereitet und wiederverwendet würden, könnte dies 42 Prozent einsparen. Zudem
böten verbesserte Algorithmen ein Einsparpotenzial von 50 Prozent, effizientere
Chips eines von 16 Prozent.
Smartphones und PCs kommen noch hinzu
Das Team um Wang verweist auch auf den jüngsten "Global E-Waste Monitor".
Demnach wird sich die Menge des Schrotts durch kleinere Elektronikgeräte - etwa
Smartphones oder Personal Computer - in den Jahren bis 2030 voraussichtlich auf
gut 43 Millionen Tonnen summieren.
Der über die Jahre anfallende Müll von KI-Servern und -Geräten, der von den
Autoren errechnet wurde, könnte bis 2030 beim Basisszenario kumuliert 5
Millionen Tonnen betragen, also knapp 12 Prozent dieser Menge. Wenn man das
zurückhaltendste Szenario der Studie zugrunde legt, würde der durch KI
entstehende kumulierte Elektromüll rund 3 Prozent des Elektroschrotts der
kleineren elektronischen Geräte ausmachen.
Mehr Kreislaufwirtschaft nötig
Christiane Plociennik vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche
Intelligenz (DFKI) in Kaiserlautern wies darauf hin, dass es nur eine geringe
Datengrundlage für jene Annahmen gibt, die die Autoren beim Basisszenario
getroffen haben. Aber auch das konservativste Szenario mit deutlich niedrigeren
Müllmengen und die Prognose des "Global E-Waste Monitor" lieferten wichtige
Gründe dafür, in der Informationstechnologie eine Kreislaufwirtschaft zu
etablieren.
"Wir müssen in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür schaffen, dass hinter
einer Cloud oder einer KI-Anwendung Rechenzentren mit hohem Ressourcenverbrauch
stecken", betonte Plociennik. Eine Nachnutzung von IT-Geräten sei einem
Recycling vorzuziehen./fm/DP/mis