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dpa-AFX: ROUNDUP 2/Unerwarteter Lichtblick: Deutsche Wirtschaft wächst
(neu: mehr Details und Hintergrund)
WIESBADEN (dpa-AFX) - Lichtblick für die Konjunktur: Dank langsam steigender
Konsumausgaben der Verbraucher ist die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal
überraschend gewachsen. Nach dem Abebben der Inflationswelle und angesichts
steigender Löhne sitzt das Geld bei vielen Menschen wieder etwas lockerer. Das
und höhere Staatsausgaben sorgten dafür, dass die deutsche Wirtschaft mit einem
kleinen Wachstum von 0,2 Prozent zum Vorquartal vorerst einer Rezession entgeht.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht in dem Plus ein Hoffnungszeichen
und ruft die Ampel-Koalition zu Geschlossenheit auf, um den Standort Deutschland
zu stärken.
Nach dem Schrumpfen der deutschen Wirtschaft im zweiten Quartal hatten
Ökonomen mit einem erneuten Minus im Sommervierteljahr gerechnet. Bei zwei
Minus-Quartalen in Folge sprechen Volkswirte von einer technischen Rezession.
Dieses Szenario wurde nun nicht Realität. Zugleich blieb der Arbeitsmarkt im
Oktober stabil, die Inflation legte in dem Monat mit einer Rate von 2,0 Prozent
aber wieder zu - unter anderem wegen höherer Lebensmittelpreise. Die deutsche
Wirtschaft sei robuster als erwartet, erklärte Habeck, schränkte aber ein: "Das
ist bei Weitem noch nicht das, was wir brauchen."
"Noch keine Trendwende in Sicht"
Auch Ökonomen warnen vor zu viel Optimismus. "Eine Trendwende ist noch nicht
in Sicht", meint Klaus Wohlrabe, Leiter Umfragen beim Ifo-Institut. Im vierten
Quartal sei nach der jüngsten Aufhellung des Ifo-Geschäftsklimas mit "einer
geringen Belebung" zu rechnen. Allerdings habe sich die Auftragslage der
deutschen Industrie weiter verschlechtert. "Besser als erwartet ist noch nicht
gut", kommentierte Michael Herzum, Leiter Makrostrategie beim Fondsanbieter
Union Investment. "Die wirtschaftliche Lage kann nicht schöngeredet werden."
Das Mini-Wachstum der deutschen Wirtschaft geht wesentlich auf den
gestiegenen Konsum der Verbraucher zurück. "Die privaten Haushalte profitieren
von geringeren Inflationsraten. Damit bleibt real mehr in der Kasse übrig",
erklärt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank.
Zwar hat sich die Teuerung nun wieder etwas verstärkt, die Inflationswelle
mit Spitzenraten von knapp neun Prozent in Deutschland ist aber vorbei. "Das ist
nicht der Beginn einer zweiten Teuerungswelle", sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt
der DekaBank mit Blick auf die Oktober-Zahlen. "Die Preise fallen zwar nicht
wieder auf das Niveau von vor zwei Jahren zurück, aber sie steigen in
Deutschland weiterhin nur im Rahmen der Zielvorgabe der Europäischen
Zentralbank."
Martin Moryson, Chefvolkswirt Europa beim Deutsche-Bank-Fondsanbieter DWS
, wies darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal
noch stärker geschrumpft war als zunächst berichtet: Das Statistische Bundesamt
weist nach neusten Berechnungen ein Minus von 0,3 Prozent aus (zuvor: minus 0,1
Prozent) "Für das Gesamtjahr deuten die Zahlen also auf ein Nullsummenspiel
hin", schrieb Moryson.
VW als Symbol der Krise
Die Unsicherheit über die Wirtschaft hat sich längst bei Unternehmen und
Verbrauchern breitgemacht. Der Konsum der Privathaushalte kommt nach jüngsten
Zahlen des Nürnberger Marktforschers GfK zwar in Schwung, aber von niedrigem
Niveau aus. Zugleich halten sich Firmen mit Investitionen zurück.
Schlüsselbranchen wie die deutsche Autoindustrie stehen unter Druck. Die Krise
bei VW ist zum Symbol für die schwache Wirtschaft geworden. Der Internationale
Währungsfonds (IWF) traut Deutschland dieses Jahr nur eine Stagnation zu -
Schlusslicht unter den führenden westlichen G7-Industriestaaten.
Philipp Scheuermeyer, Konjunkturexperte bei der Förderbank KfW, schrieb,
unterm Strich komme das Bruttoinlandsprodukt nicht vom Fleck. "Immerhin haben
sich im vergangenen Quartal die steigenden Reallöhne endlich auch spürbar im
Konsum niederschlagen." Mit sinkenden Leitzinsen sei 2025 zumindest ein leichtes
Wachstum wahrscheinlich. "Zu den Abwärtsrisiken zählen neben einer schwächeren
Entwicklung am Arbeitsmarkt vor allem ein Wahlsieg von Donald Trump." Sollte
Trump die US-Präsidentschaftswahl kommende Woche gewinnen, fürchten viele
Fachleute die verstärkte Einführung von Zöllen.
Bundesbank: Rezession, aber kein Wirtschaftseinbruch
Auch nach Einschätzung der Bundesbank wird die Schwächephase der deutschen
Wirtschaft anhalten. Sie dürfte im Schlussquartal "in etwa stagnieren", schrieb
sie jüngst. Die Bundesbank machte aber deutlich, dass sie keine Rezession "im
Sinne eines deutlichen, breit angelegten und länger anhaltenden Rückgangs der
Wirtschaftsleistung" erwartet. Vielmehr stecke die Konjunktur seit Mitte 2022 in
einer Schwächephase fest.
Auch die Bundesregierung ist pessimistisch: Sie erwartet, dass das
Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr um 0,2 Prozent schrumpft. Es wäre das zweite
Rezessionsjahr in Folge nach 2023. Kommendes Jahr soll die Wirtschaft nach
Prognose der Bundesregierung wieder um 1,1 Prozent wachsen.
Bundesregierung uneins über Impulse für Wirtschaft
Gegenwind für die deutsche Wirtschaft gibt es reichlich: Auf den Weltmärkten
hat China als Wachstumstreiber an Schwung verloren, im lnland steigt die Zahl
der Firmenpleiten. Zugleich sind die Exportaussichten für die Industrie trüb.
Dazu kommen strukturelle Belastungen wie die gestiegenen Energiepreise und die
große Bürokratie.
Die Bundesregierung ringt um Impulse für die Konjunktur, doch es fehlt an
Einigkeit. Mit zwei getrennten Gipfeltreffen machten sich Kanzler Olaf Scholz
(SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Dienstag auf die Suche nach
Wegen aus der Wirtschaftskrise. Kurz zuvor hatte Habeck in einem Papier einen
milliardenschweren Fonds für mehr Investitionen gefordert. Scholz stellte nach
seinem Gespräch mit Wirtschaftsvertretern und Gewerkschaften einen "Pakt für die
Industrie" in Aussicht. Am 15. November soll es ein weiteres Treffen geben.
Das Wachstum der deutschen Wirtschaft sei ein Lichtblick, sagte Habeck. Es
zeige sich aber, dass "wir weitere Maßnahmen brauchen, das ist bei allen
angekommen. Investitionsanreize, Innovationsförderung und Entbürokratisierung -
wir sollten hier gemeinsam agieren und den Standort Deutschland
stärken."/als/DP/jha