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dpa-AFX: ROUNDUP 3/Agrarschwäche: Bayer mit Milliardenverlust - Ausblick gesenkt
(neu: Cashflow-Entwicklung und Nettoschulden im 3. Absatz)
LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Ein weiter träges Agrargeschäft mit schwachen
Glyphosat-Verkäufen stimmt Bayer vorsichtiger für das laufende
Jahr. Zudem pflanzen Bauern vor allem in Südamerika auf deutlich weniger Land
Mais an. Wegen der Agrarschwäche musste Bayer einmal mehr Milliarden an
Firmenwert abschreiben. Unter dem Strich stand auch daher im dritten Quartal ein
Milliardenverlust. Die Agrarperspektiven bleiben auch mit Blick auf 2025 trüb.
Der Bayer-Aktienkurs brach am Dienstag auf ein 20-Jahrestief ein.
Für 2024 peilt der Dax-Konzern laut Mitteilung nun Erlöse von
45,5 bis 47,5 Milliarden Euro sowie einen um Sondereffekte bereinigten Gewinn
vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 10,0 bis 10,3 Milliarden
Euro an. Zuletzt waren noch 10,2 bis 10,8 Milliarden operativer Gewinn in
Aussicht gestellt worden, nachdem Bayer im vergangenen Jahr operativ 11,7
Milliarden Euro verdient hatte. Die mittlere Analystenschätzung für 2024 liegt
am oberen Ende des neuen Zielbereichs. Auch auf Basis konstanter Wechselkurse
wurden die Leverkusener vorsichtiger für 2024.
Immerhin: Am Ziel für den freien Finanzmittelfluss hält Finanzchef Wolfgang
Nickl fest. Nach einem Free Cashflow von 1,1 Milliarden Euro im dritten Quartal
liegt dieser im bisherigen Jahresverlauf nun bei gut minus 200 Millionen Euro.
"Im vierten Quartal erwarten wir starke Cash-Beiträge, mit denen wir unsere
Ziele für das Gesamtjahr erreichen wollen", so Nickl. Für 2024 sind weiterhin 2
bis 3 Milliarden Euro geplant. Angesichts der hohen Verschuldung der
Leverkusener steht der Free Cashflow durchaus besonders im Fokus. Die
Nettoverschuldung sank per Ende September im Jahresvergleich um knapp zehn
Prozent auf gut 35 Milliarden Euro.
Im Agrarbereich sei die Marktentwicklung schlechter als erwartet,
insbesondere in Lateinamerika, sagte Bayer-Chef Bill Anderson laut Mitteilung
mit Blick auf den pessimistischeren Gewinnausblick. Zudem bekomme Bayer
weiterhin Preisdruck im Pflanzenschutzgeschäft zu spüren, weshalb die
Jahresziele der Sparte Crop Science gesenkt worden seien. Die Perspektiven für
2025 seien verhalten, denn regulatorische Vorschriften und Preisdruck durch
Nachahmerprodukte dürften das Pflanzenschutzgeschäft belasten.
Alles in allem schrieb Bayer auch daher im dritten Quartal Geschäfts- und
Firmenwerte der Sparte in Höhe von fast 3,3 Milliarden Euro ab. Die
Abschreibungen auf den Firmenwert in der Division Crop Science nach der
Monsanto-Akquisition (2018) belaufen sich bisher insgesamt auf 12,9 Milliarden
Euro, sagte ein Sprecher auf Nachfrage.
Mit Blick auf die Pharmasparte rund um rezeptpflichtige Medikamente soll der
obere Bereich des im Sommer erhöhten Ausblicks erreicht werden. "Wir sind
zufrieden mit der Entwicklung unserer Markteinführungen", sagte Anderson. Die
Umsatzzuwächse mit dem Prostatakrebsmedikament Nubeqa und Kerendia zur
Behandlung einer chronischen Nierenerkrankung von Diabetikern dürften sich 2025
fortsetzen.
Bayer ist auf Erfolge solcher noch recht junger Medikamente angewiesen, um
die fortgesetzte Umsatzerosion mit dem Kassenschlager Xarelto zumindest
teilweise aufzufangen. So laufen in den verschiedenen Regionen der Welt
weiterhin Patente für den Blutgerinnungshemmer aus, der Wettbewerbsdruck durch
Generika nimmt zu. Der Xarelto-Umsatz fiel im dritten Quartal im Jahresvergleich
um fast ein Viertel auf gut 800 Millionen Euro und deutlicher als von Analysten
erwartet. Zum Vergleich: Nubeqa und Kerendia brachten es in Summe auf etwas mehr
als 540 Millionen Euro.
Konzernweit sank der Umsatz im abgelaufenen dritten Quartal im
Jahresvergleich um 3,6 Prozent auf 9,97 Milliarden Euro. Dabei konnte lediglich
die Sparte Consumer Health rund um rezeptfreie Medikamente den Erlös zumindest
ein klein wenig steigern. Ohne negative Wechselkurseffekte wäre es auch auf
Konzernebene ein kleines Plus geworden.
Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und
Abschreibungen (Ebitda) brach um fast 30 Prozent auf 939 Millionen Euro ein.
Unter dem Strich fiel ein Verlust von knapp 4,2 Milliarden Euro an - nach einem
Minus von 4,57 Milliarden vor einem Jahr. Die abermaligen roten Zahlen gehen vor
allem auf Abschreibungen auf die Agrarsparte zurück. Vor einem Jahr hatten dort
unter anderem Wertminderungen wegen schlechter Aussichten und wegen gestiegener
Zinsen, die auf die Bewertung drückten, zu dem Minus geführt.
Angesichts der aktuellen Geschäftsentwicklung und der Aussagen zu 2025
dürften die Gewinnerwartungen des Marktes nun sinken, schrieb Analyst Richard
Vosser von der Bank JPMorgan in einer ersten Reaktion. Anlegern an der Börse
stießen die Resultate und die tristen Agrarperspektiven für 2025 denn auch sauer
auf. Der ohnehin schon arg gebeutelte Aktienkurs brach um mehr als zwölf Prozent
auf 21,40 Euro ein, was den letzten Platz im Dax bedeutete.
Allein 2024 ist der Börsenwert von Bayer damit um schon mehr als 36 Prozent
auf noch etwa 21 Milliarden Euro gefallen. Vor einem ersten negativen
Glyphosat-Urteil Sommer 2018 - kurz nach Abschluss der Monsanto-Übernahme, die
Andersons Vorgänger Werner Baumann gegen den Widerstand vieler Investoren
durchgeboxt hatte - waren es noch fast 92 Milliarden.
Anderson, der seit April 2023 Vorstandsmitglied ist und das Bayer-Ruder im
Juni 2023 übernommen hat, versucht auch mit einer Neuorganisation des
Unternehmens und neuen Ansätzen im Umgang mit den US-Rechtsstreitigkeiten das
Ruder herumzureißen.
So zielt Bayer seit einer Weile durch Lobby-Arbeit in den USA auf
Gesetzesänderungen ab. Zudem hofft die Unternehmensführung seit einiger Zeit auf
eine Grundsatzentscheidung des obersten US-Gerichts, des US Supreme Court, zu
Gunsten des Konzerns. Hintergrund sind unterschiedliche Urteile untergeordneter
Gericht zur Frage, ob Bundesrecht zu Warnhinweisen beim Verkauf von
Unkrautvernichtern über dem Recht von Bundesstaaten steht.
Zunächst ist aber ungewiss, ob sich der Supreme Court der Sache annimmt. Und
selbst dann, hofft Bayer auf eine Entscheidung erst für 2025 bis 2026.
Mit dem laufenden Umbau der Konzernorganisation sollen weiterhin ab 2026
zwei Milliarden Euro jährlich eingespart werden. Inzwischen sei die Umsetzung
des neuen Organisationsmodells weit fortgeschritten, sagte Anderson am Dienstag
auf einer Pressekonferenz.
In dem Modell bekommen Mitarbeiter etwa in Forschung, Produktion und
Vertrieb mehr Eigenverantwortung und Handlungsfreiheiten, weniger Manager sind
notwendig. "Im Vergleich zum Jahresanfang gibt es 5.500 weniger Stellen im
Unternehmen, und die allermeisten sind Management-Positionen", so Anderson
weiter. Insgesamt beschäftigte Bayer per Ende September auf Vollzeitstellen
umgerechnet noch gut 94.200 Menschen.
Derweil wird Wolfgang Nickl das Finanzressort des Konzerns länger führen als
geplant. Der Aufsichtsrat habe seinen Vertrag bis zum 31. Mai 2026 verlängert,
teilte Bayer ebenfalls am Dienstag mit. Eigentlich wollte der 55-jährige
Manager, der seit Juni 2018 Finanzchef ist, bereits 2025 nach der
Hauptversammlung in den Ruhestand treten./mis/mne/zb/stk/he