dpa-AFX: Evotec wappnet sich nach Halozyme-Avancen: Eigenständigkeit hat Priorität
HAMBURG (dpa-AFX) - In einem möglichen Abwehrkampf gegen eine Übernahme
durch das US-Unternehmen Halozyme setzt der Wirkstoffforscher
Evotec auf seine Autonomie. Oberste Priorität habe es, Evotec als
eigenständiges Unternehmen im besten Sinne der Aktionäre voranzubringen,
erklärte ein Unternehmensprecher am Dienstag auf Anfrage. Einen Bericht der
"Börsen-Zeitung", laut dem die Hanseaten die Berater der Investmentbank Morgan
Stanley hinzugezogen haben, wollte er nicht kommentieren.
Nachdem die Evotec-Aktie zuvor dank der Übernahmefantasien auf Kursrally
gegangen war, erhielt der Kurs am Dienstag einen Dämpfer. Die Papiere des
Wirkstoffforschers verloren bis zu 9 Prozent auf 9,52 Euro.
Das US-börsennotierte Unternehmen Halozyme Therapeutics hatte am Freitag
seine Kaufabsichten für Evotec publik gemacht. Den Hanseaten war ein zunächst
unverbindliches Angebot von elf Euro je Aktie durch die Amerikaner unterbreitet
worden, dies wurde auch von Evotec so bestätigt. Damit würde Evotec mit rund
zwei Milliarden Euro bewertet.
Eine vorherige Kontaktaufnahme durch Halozyme hatte es allerdings nicht
gegeben - und auch seit dem Bekanntwerden des Interesses sei das US-Unternehmen
nicht direkt an Evotec herangetreten, sagte der Sprecher. In Hamburg bleibt man
deshalb in Lauerstellung. "Wir werden die Situation professionell analysieren
und uns vorbereiten."
Noch ist das Angebot zwar unverbindlich, doch Halozyme unterstrich zuletzt
die Ernsthaftigkeit mit einer umfangreichen Präsentation. Das
US-Biotech-Unternehmen warb darin für einen Zusammenschluss mit Evotec. Die
Amerikaner erhoffen sich ein deutliches Wachstum von Umsatz und bereinigten
operativen Ergebnis über die nächste Dekade hinaus. Das Geschäft solle komplett
in Bar aus bestehenden Mitteln und neuen Krediten durch die aktuellen Gläubiger
von Halozyme finanziert werden.
Das 1998 gegründete US-Unternehmen, mit Sitz in San Diego im US-Bundesstaat
Kalifornien, ist wie Evotec in der Wirkstoffforschung tätig und hat sich auf
Krebsmedikamente spezialisiert. Zudem hat Halozyme unter anderem seine
Verabreichungstechnologie Enhanze am Markt, wodurch großmolekülige Medikamente
subkutan - also direkt unter die Haut - statt intravenös gespritzt werden
können. Bei Evotec hat es Halozyme unter anderem auf die Plattform der Tochter
Just-Evotec Biologics abgesehen, welche die Massenherstellung von biologisch
hergestellten Arzneistoffen (Biologika) günstiger machen könnte.
Halozyme ist unterdessen nicht das einzige Unternehmen, das ein Auge auf
Evotec geworfen hat. Der Finanzinvestor Triton hat inzwischen seine Beteiligung
an dem Unternehmen von 5,6 Prozent auf rund 9,2 Prozent aufgestockt. Am Markt
wurde daher bereits über einen möglichen Übernahmekampf spekuliert.
Dass Evotec so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, kommt nicht von
ungefähr: Die lange Jahre als Börsenliebling gehandelte Aktie ist inzwischen
viel billiger zu haben. Kostete ein Papier 2022 in Pandemiezeiten fast 46 Euro,
waren es kurz vor dem Aufflammen der Übernahmefantasien nur noch rund 5 Euro.
Allein seit dem Jahreswechsel hat der Kurs gut die Hälfte eingebüßt, denn Evotec
leidet seit geraumer Zeit unter massiven Problemen.
Nach einem Hackerangriff im Frühjahr 2023 machten dem Hamburger Konzern
zuletzt die hohen Kosten für den Aufbau zweier Biologika-Anlagen und ein
schwaches Marktumfeld zu schaffen. Anfang 2024 hatte der bisherige Vorstandschef
Werner Lanthaler nach undurchsichtigen Aktiengeschäften überraschend das
Unternehmen verlassen. Der neue Konzernchef Christian Wojczewski soll Evotec
wieder in die Spur bringen, er hat unter anderem einen Stellenabbau, den
Ausstieg aus der Gentherapie und den Verkauf von Standorten
eingeläutet./tav/lew/jha/