dpa-AFX: ROUNDUP: Russland will Storm-Shadow-Marschflugkörper abgefangen haben
MOSKAU (dpa-AFX) - Russland hat nach eigenen Angaben zwei von der Ukraine
abgefeuerte Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow abgefangen. Das teilte das
Verteidigungsministerium in Moskau mit. Es wäre der erste Einsatz solcher aus
Großbritannien gelieferten Marschflugkörper über Russland seit Kriegsbeginn.
Moskau hatte jüngst den Einsatz weitreichender Waffen als Eskalation des
Konflikts bezeichnet und in seiner eigenen Atomdoktrin die Schwelle für den
Einsatz von Kernwaffen gesenkt.
"Von der Flugabwehr wurden 2 Marschflugkörper Storm Shadow aus britischer
Produktion, 6 reaktive Geschosse des Typs Himars aus US-Produktion und 67
Drohnen abgeschossen", heißt es in der Mitteilung des russischen Militärs. Zu
Einschlägen und Schäden machte das Verteidigungsministerium keine Angaben.
Schon am Dienstag hatte die Behörde den ersten Einsatz von weitreichenden
Raketen über russischem Boden gemeldet, die von den USA geliefert worden waren,
sogenannte ATACMS-Raketen. Von den sechs Raketen seien fünf von der Flugabwehr
abgefangen worden. Die sechste Rakete sei beschädigt worden, teilte das
Ministerium auf seinem Telegramkanal mit. Ihre Trümmer seien auf ein
Militärgelände im grenznahen Gebiet Brjansk gefallen. Ein Brand sei gelöscht
worden. "Es gibt keine Opfer oder Zerstörungen", hieß es damals.
Moskau sieht durch Einsatz der Waffen Beteiligung der Lieferländer
ATACMS und Storm Shadow sind weitreichende Waffen. Vor deren Einsatz über
russischem Gebiet hat der Kreml gewarnt. Diese Raketen könnten nur von
westlichen Militärs bedient werden, hatte Kremlchef Wladimir Putin im Oktober
behauptet. Dementsprechend würde ein Einsatz dieser Waffen von Moskau als
direkte Beteiligung der entsprechenden Staaten an dem Krieg gewertet werden.
Zuletzt hatte Russland in dem Zusammenhang seine Atomdoktrin aufgeweicht. So
könne Russland Kernwaffen auch einsetzen, wenn das Land von einem Staat ohne
Atomwaffen angegriffen werde, der seinerseits von einer Atommacht unterstützt
wird. Kremlsprecher Dmitri Peskow nannte am Donnerstag einmal mehr das Verhalten
der US-Regierung wegen der Raketenschläge verantwortungslos. Den Schlag mit den
Storm-Shadow-Marschflugkörpern wollte er nicht kommentieren.
Zugleich betonte er, dass Russland danach strebe, einen Atomkrieg zu
vermeiden. "Wir rechnen darauf, dass andere Länder eine ebenso
verantwortungsvolle Position einnehmen", fügte er hinzu.
Die Briten halten sich bisher zum Einsatz ihrer Marschflugkörper bedeckt.
Britische Medien hatten Mittwoch berichtet, die Ukraine habe erstmals mit Storm
Shadow Ziele in Russland angegriffen. Erst kürzlich hatten die USA der Ukraine
nach Medienberichten gestattet, Raketen mit größerer Reichweite aus
US-Produktion gegen Ziele in Russland einzusetzen.
Was sind Storm Shadow?
Der britische Storm Shadow ist ein luftgestützter Marschflugkörper mit einer
Reichweite von mehr als 250 Kilometern für Präzisionsangriffe auf Ziele wie
Bunker oder kritische Infrastrukturen. Sie sind baugleich mit den französischen
Scalp-Raketen.
Die Ukraine verteidigt sich im dritten Jahr gegen den Angriffskrieg
Russlands. Präsident Wolodymyr Selenskyj bat seit längerem darum,
weitreichendere Waffen von westlichen Partnern auf russischem Territorium
einsetzen zu können. Als Begründung wurde angeführt, dass dies für den
Kriegsverlauf entscheidend sei.
Die US-Freigabe gilt als Antwort auf den vermuteten Einsatz nordkoreanischer
Soldaten aufseiten Moskaus. Russland wiederum betrachtet die US-Waffen als eine
Eskalation und eine Verwickelung der USA und anderer westlicher Staaten in den
Krieg./bal/DP/nas