BERLIN (dpa-AFX) - Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland,
Andrij Melnyk, hat den Koalitionsvertrag von Union und SPD im Hinblick auf
Hilfen für die Ukraine kritisiert. "In Bezug auf die entscheidende Frage, wie
und mit welchen konkreten militärischen Mitteln der Angriffskrieg Russlands
kurzfristig gestoppt werden soll, findet man nur allgemeine Formulierungen, die
sogar hinter Olaf Scholz zurückfallen", sagte Melnyk der "Berliner Zeitung". Der
Diplomat soll sein Land künftig als Botschafter bei den Vereinten Nationen in
New York vertreten.
Bei der Ampel-Regierung habe es zumindest geheißen, die Ukraine dürfe den
Krieg nicht verlieren und müsse so lange wie nötig unterstützt werden. "Nun
steht da: "Wir werden unsere militärische, zivile und politische Unterstützung
der Ukraine gemeinsam mit Partnern substanziell stärken und zuverlässig
fortsetzen", (...) "so dass sie sich gegen den russischen Aggressor effektiv
verteidigen und sich in Verhandlungen behaupten kann"", so Melnyk. "Wenn (der
russische Präsident Wladimir) Putin diesen nebeligen Koalitionsvertrag liest,
kann er eine Flasche Krimsekt öffnen."
Dennoch sei der Koalitionsvertrag kein Rückschritt. Denn es gebe auch
bemerkenswerte Fortschritte, wie die Bestätigung des EU- und Nato-Beitritts der
Ukraine oder den Versuch, eingefrorenes russisches Staatsvermögen für die
Ukraine zu nutzen, sagte Melnyk.
Melnyk appelliert an Merz
"Nur: Im drängendsten Punkt fehlt jede konkrete Zusage: Nämlich, was wird
die neue Koalition in den nächsten kritischen Monaten unternehmen, um mit
massiven Waffenlieferungen den Vormarsch der Russen zum Erliegen zu bringen?
Denn eins steht fest: Deutschland ist jetzt unser Verbündeter Nr. 1.", ergänzte
Melnyk.
Zudem appellierte er an den mutmaßlich künftigen Bundeskanzler Friedrich
Merz (CDU): "Ich kenne Sie und traue Ihnen eine echte historische Zeitenwende zu
- für Deutschland und Europa. Geben Sie am 6. Mai, dem Tag Ihrer Amtseinführung,
grünes Licht, um all die verfügbaren Kampfjets - Eurofighter und Tornados -
sowie 150 Taurus-Marschflugkörper zu liefern."
Als Botschafter in Berlin hatte Melnyk die Bundesregierung ungewöhnlich
offen und scharf kritisiert wegen der seiner Meinung nach zu zögerlichen
Waffenhilfe im Abwehrkampf gegen Russland. Im Oktober 2022 kehrte er nach Kiew
zurück und wurde Vizeaußenminister. Im Juni 2023 wechselte er dann als
Botschafter nach Brasilien./asn/DP/he