Erben ohne Ärger: Nachlass verantwortungsvoll regeln
Am 18 April 2018 veröffentlicht von der Blog-Redaktion der OLB
Erben ohne Ärger: So hinterlassen Sie geregelt Ihr Vermögen
Sie haben ein Leben lang hart gearbeitet, Geld mit Augenmaß ausgegeben und sich so einen Besitz aufgebaut? Dann möchten Sie mit Sicherheit erstens, dass Ihr Vermögen eines Tages möglichst vollständig an die Menschen übergeht, denen Sie es zugedacht haben. Und zweitens, dass jeglicher Ärger rund um Ihren Nachlass vermieden wird. Beides ist definitiv möglich – wenn Sie ein paar wichtige Aspekte beachten. Welche das sind? Das erfahren Sie in unserem Blog-Beitrag.
Brauche ich eine Weiterbildung in Erbschaftsrecht?
Erbschaftsrecht und Schenkungsrecht sind nicht gerade Themen, die große Lust darauf machen, Teile der Freizeit mit ihnen zu verbringen. Doch zum Glück müssen Sie auch nicht zwingend in die tiefsten Tiefen dieser Rechtsbereiche vordringen … Allerdings gilt auch: Als verantwortungsvoller Erblasser sollten Sie sich zumindest mit den Grundzügen des Erbschafts- und Schenkungsrechts vertraut machen. Zum Beispiel mit folgender Frage:
Brauche ich zwingend ein Testament?
Keiner kann Ihnen vorschreiben, ein Testament zu machen. Zumal gesetzlich geregelt ist, wer welchen Erbanteil bekommt: Generell sind es diejenigen Familienmitglieder, die dem Verstorbenen vom Familiengrad am nächsten gestanden haben. Das große Aber: Es gibt Feinheiten, die Sie vor dem Verzicht auf ein Testament (oder einen Erbvertrag) kennen sollten. Dazu einige Beispiele. Nehmen wir an, der Verstorbene hinterlässt …
- ... Ehepartner und Kinder: In diesem Fall erbt der Ehepartner die eine Hälfte des Vermögens, die andere Hälfte teilt sich auf die Kinder auf (unabhängig von deren Anzahl). Anders verhält es sich, wenn ein Ehevertrag mit Gütertrennung vereinbart wurde: Bei zwei Kindern erhalten Ehepartner und Kinder dann je ein Drittel, bei drei und mehr Kindern steht dem Ehepartner ein Viertel zu, während die anderen 75 % auf die Kinder aufgeteilt werden.
- ... einen Ehepartner: Witwe oder Witwer bekommt in diesem Fall 75 % des Nachlasses, 25 % stehen den Eltern des Verstorbenen zu. Bei Gütertrennung teilt sich das Erbe zu je 50 % auf Ehepartner und Eltern auf. Sind die Eltern verstorben, gehen die Ansprüche auf deren weitere Nachkommen über – also auf die Geschwister bzw. Neffen/Nichten des Erblassers.
- ... Kinder, aber keinen Ehepartner: Die Kinder erben das Vermögen zu gleichen Teilen. Wichtig in diesem Zusammenhang: Die gesetzliche Erbfolge behandelt adoptierte und leibliche Kinder gleich – Stiefkinder sind hingegen nicht erbberechtigt.
- ... weder Ehepartner noch Kinder: Dann geht das Vermögen auf die Eltern über. Sind die verstorben oder verzichten, folgen etwaige Geschwister des Erblassers bzw. deren Nachkommen. Sollte sich in diesem Kreis kein Erbe finden, geht der Nachlass über auf entferntere Verwandte wie Großtanten/-onkel bzw. deren Nachkommen.
Wohlgemerkt: Diese gesetzliche Erbfolge samt prozentualer Aufteilung mit all ihren Feinheiten kommt nur dann zum Tragen, wenn ein Nachlass nicht geregelt ist. Möchten Sie die Aufteilung Ihres Vermögens individueller gestalten, sollten Sie sich um das Aufsetzen von Testament oder Erbvertrag kümmern – oder wie es im schönsten Beamtendeutsch heißt: um eine „gewillkürte Erbfolge“.
Was ist der Unterschied zwischen Testament und Erbvertrag?
Zunächst einmal lässt sich ein Testament alleine verfassen, während zum Erbvertrag mindestens zwei Personen benötigt werden. Dann ist die bindende Wirkung eines Erbvertrags höher. Warum? Nun, theoretisch kann der Erblasser im Januar in einem Testament seine Frau zur Alleinerbin erklären, im Februar seine Schwester und im März seinen besten Freund – das letztverfasste Testament zählt, die anderen sind irrelevant.
Derartige Sinneswandel im stillen Kämmerlein sind bei einem Erbvertrag ausgeschlossen. Aufgehoben werden kann er lediglich, wenn der Erblasser und sein Vertragspartner – ebenfalls wieder gemeinschaftlich – einen Auflösungsvertrag unterschreiben. Möchte der Erblasser ein einseitiges Aufhebungsrecht haben, muss dies im Erbvertrag vermerkt sein. Nach BGB ist auch ein Testament, das dem Inhalt eines gültigen Erbvertrages widerspricht, schlicht unwirksam. Ausnahme: Haben Ehepartner zusammen einen Erbvertrag geschlossen, können sie ihn durch ein gemeinschaftliches Testament aufheben. (Ein solches gemeinschaftliches Testament von Ehe- oder Lebenspartnern wird im deutschen Erbrecht übrigens als „Berliner Testament“ bezeichnet.)
Habe ich in Testament bzw. Erbvertrag alle Freiheiten?
Generell können Sie in einem Testament oder einem Erbvertrag frei bestimmen, wer Sie in welcher Form beerben soll. Allerdings sichert der Gesetzgeber dem Ehe- bzw. eingetragenen Lebenspartner sowie den Kindern, Enkeln und Eltern des Erblassers einen Pflichtteil zu. Voraussetzung dafür, den Anspruch auf diesen Pflichtteil geltend zu machen, ist ein Erbanspruch via gesetzlicher Erbfolge (also ohne Testament). In Beispielen gesprochen:
- Wenn der Verstorbene einen Ehepartner sowie Kinder hinterlässt und in seinem Testament nicht vermerkt, dass seine Enkel oder Geschwister erben sollen – dann haben diese auch keinen Anspruch auf einen Pflichtteil.
- Anders verhält es sich, wenn der Verstorbene zwar Ehepartner und Kinder hatte, sein Vermögen aber ausschließlich einem Freund vermacht. Dann haben Witwe/Witwer und Kinder Anspruch auf den Pflichtteil.
Übrigens: Zwischen der Wirksamkeit eines handschriftlichen Testaments in der heimischen Schreibtischschublade und einem notariell beglaubigten letzten Willen besteht rechtlich kein Unterschied. Gerade in komplizierten Fällen, wenn es etwa um die Weitergabe mehrerer Immobilien oder Firmenbeteiligungen geht, empfiehlt es sich aber auf jeden Fall, Notar und Steuerberater einzuschalten, um Unklarheiten im Detail zu vermeiden.
Und was bekommt der Staat von meinem Nachlass?
Bei kleinen und mittleren Erbschaften an Ehepartner und Kinder fließt im Normalfall nichts oder kaum etwas in die Staatskasse. Der Grund liegt in folgenden persönlichen Steuerfreibeträgen der Erben.
- Ehe- und eingetragener Lebenspartner: 500.000 Euro
- Kinder und Kinder verstorbener Kinder: 400.000 Euro
- Enkelkinder: 200.000 Euro
- Eltern und Großeltern (bei Erbschaft): 100.000 Euro
Liegt das persönlich erhaltene Erbe unter diesen Beträgen, müssen keine Steuern abgeführt werden. Geringer ist der Freibetrag bei geschiedenen Ehepartnern, Neffen/Nichten, Stief- oder Schwiegereltern – er liegt bei 20.000 Euro.
Sofern das Erbe die Freibeträge überschreitet, müssen Steuern bezahlt werden. Dafür werden die Erben in drei Steuerklassen eingeteilt, für die zum einen gilt: Je näher der Verwandtschaftsgrad, desto niedriger die zu zahlende Steuer. Zum anderen: Je höher das Erbe, desto höher der Steuersatz. Konkret:
- Ehepartner, Kinder, Enkel, Eltern und Großeltern zahlen bei einem Erbe, das den Freibetrag um bis zu 300.000 Euro übersteigt, auf die entsprechende Summe 11 % Steuern. Dieser Prozentsatz steigt gestaffelt auf den Maximalsatz von 30 %, der für den Fall gilt, dass der Freibetrag um mehr als 26 Millionen Euro überschritten wird (was die meisten Erblasser und Erben des Landes indes nicht weiter kümmern dürfte).
- Bei Geschwistern, Neffen/Nichten, Schwiegereltern etc. liegen die genannten Steuersätze mit 20 % respektive 43 % höher, bei allen übrigen Erben sind es 30 % bzw. 50 %.
Einen Sonderfall stellt das Vererben von Vertriebsvermögen dar. Hier steht der Erhalt des Unternehmens im Mittelpunkt, was der Staat durch besondere Regeln für einen schonenden Betriebsübergang honoriert. Zu diesen Regelungen sollten sich Unternehmer frühzeitig mit Steuer- oder Bankberater austauschen, um ihr Lebenswerk bestmöglich an die nächste Generation weiterzureichen sowie Werte und Arbeitsplätze zu erhalten.
Fazit: Erben ohne Ärger … ist möglich!
Wie Sie gelesen haben, gibt es beim Vererben durchaus Fallstricke. Was auch erklärt, warum über die Nachlassverteilung schon Freundschaften oder Familien zerbrochen sind. Wenn Sie es dazu keinesfalls kommen lassen wollen, gilt für Sie vor allem eine Prämisse: rechtzeitig handeln! Überlegen Sie sich für den Fall der Fälle, wer in welcher Form von Ihrem Nachlass profitieren soll. Prüfen Sie dabei auch, ob es ggf. Sinn ergibt, schon vor Ihrem Ableben einen Teil Ihres Vermögens via Schenkungen an Erben zu übertragen, um eventuell anfallende Erbschaftssteuern zu umgehen. Halten Sie schließlich Ihre Entscheidungen rund um Ihren Nachlass exakt in einem Testament, „Berliner Testament“ oder Erbvertrag fest. Und scheuen Sie nicht, dafür Experten wie Notar und Steuerberater zu Rate zu ziehen. – Dann ist ihr letzter Wille bestens geregelt und kann ohne Ärger und Streit umgesetzt werden. Ein gutes Gefühl, in dem Sie hoffentlich noch lange und in bester Laune Ihr Leben genießen können.